Auf dem Weg zu einer guten Wiedergeburt: Beerdigungen in Kambodscha
Vier Monate lang war Makaras Vater schon krank. Nichts half: weder Arztbesuche noch Ratschläge von Schamanen oder Gebete von Angehörigen. Auch dass einer der Söhne „Mönch auf Zeit“ wurde, trug nicht zur Genesung bei. Im Februar 2019 verstarb der 53-jährige Mann.
Lasst uns Makara bei der Beerdigung seines Vaters begleiten.
Als Makara abends von der Arbeit nach Hause kommt, erfährt er vom Tod seines Vater. Er spürt, dass für ihn eine schwierige Zeit beginnt. Sein zehnjähriger Bruder und er sind die einzigen Christen in ihrer buddhistischen Großfamilie. Die Angehörigen erwarten, dass sie bei den vielen Riten mitwirken.
Die buddhistische Beerdigung wird bereits vorbereitet. Die Mutter hat die Mönche informiert, ein Festzelt für 80 bis 100 Personen bestellt und ein Küchenteam organisiert. Die engsten Verwandten rasieren sich als Ausdruck ihrer Trauer die Kopfhaare und die Augenbrauen ab.
Buddhistische Riten, die den Verstorbenen ins Jenseits geleiten
Noch am gleichen Abend kommt ein buddhistischer Priester, um die Familie bei der rituellen Reinigung des Leichnams anzuleiten. Die Familie begrüßt ihn und verneigt sich anbetend vor ihm. Auch Makara grüßt ihn, verweigert ihm aber die Anbetung. Das wird nicht gerne gesehen. Als Makara sich der Empörung und dem Druck nicht beugt, wird er wie Luft behandelt. Ganze zwei Wochen lang ignoriert ihn die Familie, obwohl er bei allem, was seiner christlichen Überzeugung nicht entgegensteht, mitmacht.
Der Verstorbene wird gewaschen und in einen prächtigen Sarg gelegt. Am nächsten Tag treffen vier Mönche und drei weitere Priester ein. Sie setzen sich erhöht auf die eigens für sie errichtete Bühne. Davor liegt der Tote in einem geschlossenen, üppig mit Blumen dekorierten Sarg. Ein Foto erinnert an ihn. Trauergäste bringen dem Toten Opfer dar und überreichen der Familie Trauerkarten mit Geld.
Viele Gäste gehen ein und aus, essen und trinken
Runde Tische mit je sechs bis acht Stühlen warten auf Gäste. Als Makaras christliche Freunde kommen, ist das Zelt noch fast leer. Sie werden freundlich empfangen, aber ganz hinten platziert, „damit ihr ungestört seid“.
Langsam füllt sich das Zelt. Makaras Mutter setzt sich für eine kleine Weile zu den Christen. Auch der Bruder kommt kurz vorbei. Er ist damit beschäftigt, Getränke zu verteilen und Opfergeld zu verbrennen. Man glaubt, der Tote empfange dieses Geld im Jenseits und könne es dort verwenden.
Zwei Tage lang gehen Trauergäste im Festzelt ein und aus. Sie schwatzen lustig an den Tischen, essen und trinken. Die Atmosphäre ist wie in einem Lokal. Nur der Gesang der Mönche erinnert an den wahren Anlass. In monotonen Sprechgesängen zitieren sie stundenlang alte buddhistische Formeln, um die Seele des Toten ins Jenseits zu geleiten. Sie sollen ihm zu einer besseren Wiederverkörperung (Inkarnation) verhelfen.
Kremation am dritten Tag der Beerdigung
Die Verbrennung des Leichnams ist für den dritten Tag vorgesehen. Um sechs Uhr trudeln die Trauergäste ein, denn man möchte früh im Tempel sein. Der Sarg wird in den bereitstehenden Leichenwagen gestellt. Davor nimmt die Familie Aufstellung, um den Leichenwagen bis zum Tempel zu ziehen.
Vor ihnen rollt der Wagen mit dem obersten Mönch. Die Familie ist durch eine Schnur miteinander und mit den Mönchen und Priestern verbunden, aber zugleich von der Trauergemeinde getrennt. Auch Makara lässt sich mit einspannen. Der Weg ist lang und die Mönche rezitieren im Sprechgesang. Im Rückblick klagt Makara: „Dieser lange Marsch war für mich die schrecklichste Erfahrung in den drei Trauertagen! Der Weg schien nicht zu enden und die Mönche wollten einfach nicht schweigen.“
Im Tempel angekommen, wird der Sarg in eine mit Holz und Kohle gefüllte Betonwanne gestellt, mit Benzin übergossen und angezündet. Als die Mutter das Feuer auflodern sieht, bekommt sie einen Schreikrampf. Freunde versuchen, sie zu beruhigen.
Asche als Material für die Freiheit der Seele
Nachdem das Feuer erloschen und die Asche etwas abgekühlt ist, breiten die Priester und einige Verwandte die Asche des Verstorbenen auf dem Boden aus. Aus der Asche stellen sie mit Hilfe einer sehr langen Schnur und Blättern eine menschliche Figur dar.
Die Schnur führt weiter zu einem geschmückten Tablett. Dies soll der Seele helfen, sich schneller von den Überresten des alten Körpers zu lösen und für eine neue Inkarnation frei zu werden.
Alle Verwandte, außer Makara und seinem kleinen Bruder, setzen sich mit den Priestern um das Aschenbild und reichen brennende Kerzen weiter. Am Ende dieses Rituals sammelt die Witwe übrig gebliebene Knochenstückchen aus der Asche und nimmt sie in einer Urne mit nach Hause.
In einer Urne werden sie dort auf einem eigens dafür errichteten Hausaltar stehen. Hier wird der Verstorbene in Zukunft verehrt werden. Hier werden ihm die Opfergaben gebracht werden, die ihn im Jenseits versorgen sollen.
Christen und Buddhisten: Bei Beerdigungen werden die Unterschiede besonders deutlich
Für Makara wird dies eine riesige Zerreißprobe werden. Als Christ wird er seinem verstorbenen Vater keine Opfer bringen. Seine Mutter und die Nachbarn legen ihm das als Lieblosigkeit seinem Vater gegenüber aus. Egal, wie oft er seine Liebe bezeugt: niemand glaubt ihm.
Bei den Beerdigungsriten wird der Unterschied zwischen Buddhismus und Christentum besonders deutlich. Buddhistische Rituale sind darauf ausgerichtet, Verstorbenen eine möglichst angenehme Existenz im Jenseits zu ermöglichen und ihnen zu einer besseren Wiederverkörperung zu verhelfen. Der Gedanke, nach dem Tod mit „Gott“ im „Himmel“ zu sein, ist für Buddhisten undenkbar. Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod gibt es nicht, nur das unendliche Rad der Wiedergeburt, bis man sich eines Tages im Nirwana auflöst…
Im Gegensatz dazu sagt Jesus Christus: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt. Und wer lebt und an mich glaubt, wird niemals sterben. Glaubst du das?“ (Johannes 11,25-26)
Margret Heckert, Kambodscha
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